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Ärzte, Rettungsassistenten, Pflegepersonal, sogar IT-Experten arbeiten in Branchen, in denen sie gerade noch entspannen konnten, von jetzt auf gleich aber für ihren Arbeitgeber im Einsatz sind. Ob Zeiten, in denen sie ihm nur zur Verfügung stehen, aber nicht auch aktiv arbeiten, auch als Arbeitszeit gelten, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) kürzlich in einem Urteil entschieden.
Darin ging es um einen freiwilligen Feuerwehrmann aus Belgien, der sich für Einsätze bereithalten muss. Innerhalb von maximal acht Minuten muss er bei der Feuerwehr sein. Er wohnte deshalb in der Nähe der Wache und hielt sich während seiner Rufbereitschaft auch in deren Nähe auf. Für die Zeiten, in denen er lediglich für die Feuerwehr bereitstand, forderte er eine Vergütung.
Der EuGH entschied nun, dass Bereitschaftszeiten, die ein Arbeitnehmer zuhause verbringt und in denen er verpflichtet ist, dem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb einer kurzen Zeit Folge zu leisten, Arbeitszeit ist. Ob der Feuerwehrmann für diese Arbeitszeit auch eine Vergütung verlangen kann, entschied er jedoch nicht. Dies dürfen die Mitgliedstaaten, also auch Deutschland, selbst regeln.
Im deutschen Recht ist Rufbereitschaft jedoch keine Arbeitszeit. Das widerspricht aber nicht dem EuGH, da der Begriff hier anders definiert ist. Rufbereitschaft liegt vor, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich zuhause oder an einer frei gewählten Stelle bereitzuhalten, damit er die Arbeit, falls erforderlich, alsbald aufnehmen kann. Typisch für die Rufbereitschaft ist, dass der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort frei wählen kann. Dies war im Fall des EuGH gerade nicht so. Der Arbeitnehmer musste sich dort innerhalb weniger Minuten am Arbeitsort einfinden, war in seiner Bewegungsfreiheit also sehr stark eingeschränkt.
Im Fall des EuGH würde nach deutschem Recht vielmehr Bereitschaftsdienst vorliegen. Ein Arbeitnehmer leistet Bereitschaftsdienst, wenn er sich außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufhalten muss, um bei Bedarf die volle Arbeitstätigkeit unverzüglich auszuüben. Der Arbeitnehmer wird dadurch stärker eingeschränkt als durch die Rufbereitschaft. Bereitschaftsdienst ist daher Arbeitszeit. Der EuGH und das deutsche Recht kommen also zum gleichen Ergebnis, benennen den Sachverhalt lediglich verschieden.
Aber nur, weil es Arbeitszeit ist, bedeutet das nicht, dass der Arbeitgeber sie auch vergüten muss. Dies richtet sich vielmehr nach dem Arbeitsvertrag, Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder einer berechtigten Vergütungserwartung des Arbeitnehmers.
Dabei gilt: Ist der Arbeitnehmer während des Bereitschaftsdienstes oder der Rufbereitschaft für den Arbeitgeber aktiv, muss er ihn auch vergüten. Steht der Arbeitnehmer ihm bloß zur Verfügung, bekommt er dafür im Zweifel keine Vergütung.
Arbeitnehmer sollten deshalb bei den Verhandlungen über ihren Arbeitsvertrag versuchen, eine Vergütung auch für „passive“ Zeiten zu vereinbaren. Betriebsräte sollten ihre Mitbestimmungsrechte geltend machen. So können sie gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der betrieblichen Lohngestaltung mitbestimmen, im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auch über die Arbeitszeit.
Urteil des EuGH vom 21.02.2018, Az. C-518/15