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Ob ein Arbeitnehmer wegen Whistleblowings eine Kündigung befürchten muss, lässt sich nicht pauschal beantworten. Wie immer kommt es auf den Einzelfall an.
Ein Arbeitnehmer ist ein Whistleblower, wenn er tatsächliche oder behauptete Missstände oder ein Fehlverhalten in seinem Unternehmen durch kritische Äußerungen, Beschwerden oder Anzeigen veröffentlicht.
Regelmäßig ist er bei solchen Anzeigen gegenüber dem Arbeitgeber durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz) geschützt, etwa wenn ein berechtigtes Aufklärungsinteresse an den Missständen besteht.
Ein Arbeitnehmer riskiert jedoch eine Kündigung, wenn er wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben zum Sachverhalt macht oder die Anzeige leichtfertig und unangemessen ist, weil keine Anhaltspunkte für eine Absicht vorliegen, die für einen Straftatbestand erforderlich ist. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer mit der Anzeige unverhältnismäßig auf ein Verhalten des Arbeitgebers reagiert, beispielsweise wenn er sich an ihm rächen möchte anstatt Missstände aufzuklären.
Liegt ein solcher Sachverhalt vor, ist eine Kündigung jedoch nicht automatisch wirksam.
Vielmehr muss der Arbeitgeber vor der Kündigung die gegenläufigen Interessen, die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz) einerseits und dessen Treue- und Loyalitätspflichten ihm gegenüber (§ 241 Abs. 2 BGB) andererseits, berücksichtigen. Ein Arbeitnehmer verletzt seine Pflichten erst, wenn er die Grenze der Meinungsfreiheit überschreitet und gegen seine Treue- und Loyalitätspflichten verstößt.
Dagegen sollten sich Arbeitnehmer fragen, ob sie die Missstände zunächst innerbetrieblich aufklären sollten oder ihnen das zumutbar ist, bevor sie an die Öffentlichkeit treten. Ebenso, ob überhaupt ein öffentliches Interesse an den Missständen besteht. Dabei gilt: je höher das öffentliche Interesse ist, desto gewichtiger ist die Meinungsfreiheit und desto eher scheidet eine Pflichtverletzung aus. Das ist laut Rechtsprechung etwa bei Verstößen gegen Arbeitsschutzgesetze der Fall.
Ferner müssen Arbeitgeber - wie bei jeder verhaltensbedingten Kündigung - vorab auch die Interessen im Übrigen gegeneinander abwägen. Sie müssen also prüfen, ob es ihnen zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fortzusetzen. Sie müssen die Interessen des Arbeitnehmers an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses und ihre Interessen an der Beendigung desselben gegenüberstellen. Auch müssen sie prüfen, ob eine Abmahnung, die grundsätzlich bei einer verhaltensbedingten Kündigung erforderlich ist, ausnahmsweise entbehrlich ist.
Es gibt also einige Hürden für Arbeitgeber, bevor sie einen Arbeitnehmer wegen Whistleblowings wirksam kündigen dürfen, aber auch Arbeitnehmer sollten sich angesichts der Konsequenzen einer Kündigung genau überlegen, ob und wie sie Missstände im Unternehmen bekanntmachen oder ob sie nicht doch andere Ziele verfolgen, wenn sie den Arbeitgeber „anprangern“. Dabei sollten sie auch den Betriebsrat zur Beratung und Unterstützung heranziehen.