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BAG-Urteil: Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst?

Ob ärztlicher Hintergrunddienst nach § 9 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) zu vergütende Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst ist, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch eine Vorgabe insbesondere hinsichtlich der Zeit zwischen Abruf und Aufnahme der Arbeit zwingt, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, und damit eine faktische Aufenthaltsbeschränkung vorgibt. Das gilt auch, wenn der ärztliche Hintergrunddienst mit einer Telefonbereitschaft verbunden ist.

Fall
Der Arbeitnehmer hatte im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit sogenannte Hintergrunddienste abgeleistet. Der Arbeitgeber verpflichtete ihn, während dieses Dienstes telefonisch erreichbar zu sein, weitere Verpflichtungen machte er nicht. Während des Hintergrunddienstes konnte es sowohl zu Einsätzen im Klinikum als auch zu rein telefonischen Einsätzen kommen, wobei letztere überwog. Weiterhin hatte der Arbeitnehmer aufgrund einer Vorgabe der Stiftung Eurotransplant innerhalb von 30 Minuten Organtransplantationsangebote zu erledigen. Der Arbeitnehmer war der Meinung, die Hintergrunddienste seien als Bereitschaftsdienst und somit höher zu vergüten. Das Bundesarbeitsgericht lehnte dies ab.

Entscheidung
Die Revision des Arbeitgebers hatte Erfolg. Bei dem geleisteten Hintergrunddienst handele es sich um Rufbereitschaft. Die vergütungsrechtliche Einordnung erfolgte nach nationalem Recht. Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst unterschieden sich nach den tariflichen Definitionen in § 7 Abs. 4 Satz 1 bzw. Abs. 6 Satz 1 TV-Ärzte/TdL dadurch, dass der Arbeitnehmer sich nach den Vorgaben des Arbeitgebers nicht an einem bestimmten Ort aufhalten muss, sondern seinen Aufenthaltsort frei wählen kann. Maßgeblich sei der Umfang der angeordneten Aufenthaltsbeschränkung, wobei bei Rufbereitschaft eine völlig freie Entscheidungsbefugnis des Arbeitnehmers nicht gegeben ist. Dies sei im vorliegen Fall gewahrt, da die Verpflichtung des Telefondienstes, keine räumliche Aufenthaltsbeschränkung darstelle. Dass unter Umständen nach einem Anruf zeitnah die Arbeit in der Klinik fortgesetzt werden muss, stehe im Einklang mit dem Wesen der Rufbereitschaft. Allerdings untersage der Tarifvertrag dem Arbeitgeber die Anordnung von Rufbereitschaft, wenn erfahrungsgemäß nicht lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Dies sei hier der Fall, da der Arbeitnehmer in etwa der Hälfte der Hintergrunddienste zur Arbeit herangezogen worden sei und zu 4 % aller Rufbereitschafsstunden tatsächliche Arbeit leistete. Danach hätte der Arbeitgeber die geleisteten Hintergrunddienste erst gar nicht anordnen dürften.

Gleichwohl führe dies nicht zu der vom Arbeitnehmer begehrten höheren Vergütung. Ein bestimmter Arbeitsleistungsanteil sei nach dem Tarifvertrag weder dem Bereitschaftsdienst noch der Rufbereitschaft begriffsimmanent. Trotz tarifwidriger Anordnung der Rufbereitschaft hat der Senat den Anspruch des Arbeitnehmers verneint.

BAG, Urteil vom 25.03.2021 – 6 AZR 264/20
Vorinstanz: LAG Köln, Urteil vom 04.03.2020 - 3 Sa 218/19

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